THEATER-TV - Podcast: "Wer ist Giselher Klebe?"


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Zu den bedeutendsten deutschen Bühnenkomponisten des 20. Jahrhunderts gehörend, schrieb Giselher Klebe (*1925 in Mannheim; †2009 in Detmold) seine Opern immer nach literarischen Texten. Die 1979 entstandene Oper »Der Jüngste Tag« basiert auf dem gleichnamigen Schauspiel Odön von Horváths aus dem Jahre 1937. Achtzehn Tote bei einem Zugunglück, an dem der Stationsvorstand Thomas Hudetz schuld ist: Er hat vergessen, das Signal zu stellen, weil die Wirtstochter Anna, ein kleines Biest, das seine eifersüchtige Frau ärgern will, ihn geküsst hat. Durch Annas falsche Aussage, er habe das Signal rechtzeitig gestellt, wird er freigesprochen. Doch Annas Mitwisserschaft erzwingt ein Nachdenken nicht nur über juristische, sondern über die metaphysische Schuld. In die Debatte über diese sehr viel schwierigere Schuldfrage greifen in der letzten Szene sogar die Toten ein, auch der Lokomotivführer, der bei dem Zusammenstoß ums Leben kam. Hudetz stellt sich am Ende zwar dem Gericht, doch verurteilt er sich selbst nicht; er spricht sich auch nicht frei, sondern überlässt das Urteil dem Jüngsten Gericht, und wie dies aussehen wird, darüber steht keinem Menschen ein Urteil zu: Der Mensch ist in ein Gewebe von psychologischen und gesellschaftlichen Zwängen eingesponnen, und je weiter diese Motivketten im dramatischen Verlauf verfolgt werden, desto undurchschaubarer werden sie.